Tagung «Sans-Papiers, die unbekannte Minderheit unter uns» – abgesagt

Die GMS organisiert eine Tagung zum Thema «Sans-Papiers, die unbekannte Minderheit unter uns». Die Tagung findet statt, am 8. Mai 2018 um 9.30 Uhr in der Stiftung Glockenhaus Zürich, Raum «London», an der Sihlstrasse 33, 8001 Zürich. Die Tagung hat zum Ziel, über die prekäre Situation der Sans-Papiers in der Schweiz zu informieren und Impulse zu vermitteln, wie innerhalb der aktuellen Rechtslage ihre Situation verbessert werden kann. Dazu werden Beispiele von Best Practices vorgestellt.

Die Tagung richtet sich primär an Personen, die sich aus beruflichen oder politischen Gründen mit dem Thema «Sans-Papiers» auseinandersetzen, sei es als Mitglieder von Behörden, Kirchen, sozialen Diensten oder NGOs. Auch weitere Interessentinnen und Interessenten sind selbstverständlich herzlich willkommen. Die Teilnehmerzahl ist beschränkt (Anmeldungen werden nach Datum ihres Eingangs berücksichtigt).

Das Programm und weitere Informationen entnehmen Sie bitte der Einladung und Programm zur Tagung „Sans-Papiers, die unbekannte Minderheit unter uns“

Aufgrund von zu wenigen Anmeldungen müssen wir die Tagung «Sans-Papiers, die unbekannte Minderheit unter uns» vom 8. Mai 2018 leider absagen.

Vergangene Tagungen

2014

„Immer Ärger mit den Fremden…“
Gemeinsame Tagung der GMS und der Paulus-Akademie Zürich
Mittwoch, 29. Januar 2014, 13.30 bis 18.00 Uhr

Tagungsunterlagen:

2010-2012

Solothurner Landhausversammlung zur Stärkung der Menschenrechte und der Direkten Demokratie
1. Solothurner Landhausversammlung am Sa, 29. Mai 2010
2. Solothurner Landhausversammlung am Sa, 9. Oktober 2010
3. Solothurner Landhausversammlung am Sa, 12. März 2010
4. Solothurner Landhausversammlung am Sa, 10. September 2011
5. Solothurner Landhausversammlung am Sa, 31. März 2012
Mitträgerschaft der GMS an dieser Grossversammlung im Nachgang zur Abstimmung über die Minarettverbots-Initiative

Unterlagen:

2008

„Antisemitismus – Rassismus in der Schweiz“
GMS-Tagung
Freitag, 16. Mai 2008 im Hotel Marriott Zürich

Tagungsunterlagen:

2007

„Rassismus – Kein Kavaliersdelikt. Erfahrungen und Fakten zur Rassismusstrafnorm Art. 261bis StGB“
GMS-Tagung
Montag, 8. Oktober 2007 im Hotel Marriott Zürich

Tagungsunterlagen:

2004

„Muslime in der Schweiz  –  Chancen und Hindernisse der Integration“
GMS-Tagung
Montag, 8. September 2004 im Hotel Marriott Zürich

Tagungsunterlagen:

2001

„Rechtsextremismus  –  vom Einstieg zum Ausstieg“
GMS-Tagung
Dienstag, 20. Februar 2001 im Hotel Marriott Zürich

27.03.2024

Gehörlose Menschen – eine sprachliche und kulturelle Minderheit in der Schweiz

Sprachen sind keine „Behinderung“

Der Vorstand der Gesellschaft für Minderheiten in der Schweiz (GMS) hat beschlossen, den Minderheitenbegriff zu erweitern, um auch hybride Identitäten von Minderheiten zu berücksichtigen. Diese Entscheidung reflektiert die zunehmende Vielfalt und Komplexität der menschlichen Identität. Angesichts dessen ist es für die GMS als Verein, der sich für die Rechte und den Schutz von Minderheiten in der Schweiz einsetzt, unerlässlich, dass auch die Gehörlosengemeinschaft von der GMS-Unterstützung erhält.

Für die Gehörlosengemeinschaft ist es von grosser Bedeutung, dass Gehörlosigkeit nicht länger als «Behinderung» betrachtet wird, sondern dass Gehörlose als eine sprachliche und kulturelle Minderheit anerkannt und respektiert werden. Gehörlose und hörende Menschen haben jedoch noch immer eine stark voneinander abweichende Vorstellung von Gehörlosigkeit. So impliziert Gehörlosigkeit für die Mehrheit der Hörenden ein Defizit, welches zu beseitigen ist. Die meisten gehörlosen Menschen hingegen fühlen sich als Mitglied einer kulturellen Minderheit mit eigener Kultur und Sprache, nämlich der Gebärdensprache.

Weltweit leben ca. 70 Millionen gehörlose Menschen, davon 20’000 bis 30’000 in der Schweiz. Die Gehörlosengemeinschaft ist eine sprachliche und kulturelle Minderheit. Das Fundament dieser Kultur sind die Gebärdensprachen, welche untrennbar mit der kulturellen Identität der Gehörlosengemeinschaft verbunden sind. In der Schweiz gibt es insgesamt drei Gebärdensprachen: Die Deutschschweizer Gebärdensprache (DSGS), die Langue des Signes Française (LSF) und die Lingua Italiana dei Segni (LIS). Um mit einem weitverbreiteten Vorurteil aufzuräumen: Die Gebärdensprache ist nicht international, da Sprachen sich regional entwickeln und von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden. Wie jede andere Sprache, haben sich auch Gebärdensprachen natürlich weiterentwickelt. Deshalb hat jedes Land seine eigene Gebärdensprache(n), die sogar regionale Dialekte aufweisen kann, ähnlich den Variationen in gesprochenen Sprachen. Die Gebärdensprache war jedoch lange Zeit verboten. Beim sogenannten Mailänder Kongress im Jahr 1880 trafen hörende Pädagog:innen die Entscheidung, die Verwendung der Gebärdensprache in Europa zu untersagen. Anstatt gehörlosen Schüler:innen Wissen und Bildung zu vermitteln, konzentrierten sich die Lehrkräfte darauf, ihnen das Sprechen beizubringen. Dies oft unter inakzeptablen Bedingungen: Gehörlosen Kindern wurde es z.B. verboten, miteinander in Gebärdensprache zu kommunizieren. Im Unterricht wurden sie unter anderem dazu aufgefordert, sich auf ihre Hände zu setzen oder diese hinter den Rücken zu halten. Die Gebärdensprache konnte somit meist nur im Verborgenen angewendet und weiterentwickelt werden. Um ca. 1980 begann sich langsam auch in der Schweiz die Erkenntnis durchzusetzen, dass Gebärdensprache ein eigenständiges und vollwertiges Sprachsystem ist, mit dem gehörlose Menschen alles ausdrücken und mitteilen können. Jedoch erst im Juli 2010, auf der internationalen Konferenz zur Bildung und Erziehung Gehörloser (ICED) in Vancouver, wurde der Beschluss gefasst, die Resolutionen des Mailänder Kongresses von 1880 offiziell aufzuheben.

Am 22. August 2023 wurde vom Bundesamt für Kultur bekannt gegeben, dass die Schweiz die Gebärdensprachen als immaterielles Kulturerbe anerkannt und in die Liste der lebendigen Traditionen des Landes aufgenommen hat. Die Gebärdensprachen müssen jedoch endlich auch rechtlich anerkannt werden, denn sie ermöglichen gehörlosen Personen den gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Gesundheitswesen, zur Kultur sowie zu Bildungsangeboten. Dieser Zugang muss gehörlosen Menschen durch Bund, Kantone und Gemeinden im Rahmen ihrer Kompetenzen garantiert werden, wie es auch die UNO-Behindertenrechtskonvention und das Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung verlangen. Die fehlende Anerkennung der Gebärdensprachen steht im Widerspruch zur UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNO-BRK), welche die Schweiz 2014 ratifiziert hat. Darin werden die Gebärdensprachen als eigenständige Sprache definiert und die unterzeichnenden Staaten verpflichtet, die Gebärdensprachen und die Gehörlosenkultur anzuerkennen.

Die Schweiz ist eines der letzten Länder in Europa, welches seine Gebärdensprachen nicht auf nationaler Ebene anerkannt hat. Auf kantonaler Ebene sind die Gebärdensprachen in Genf, Zürich und dem Tessin in den jeweiligen Kantonsverfassungen erwähnt. Der Kanton Neuchâtel kennt die Anerkennung auf Gesetzesstufe.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Gebärdensprachen durch die Einführung eines Gebärdensprachengesetzes offiziell anerkannt und gefördert werden. Dies stellt einen unerlässlichen Schritt dar, um die Gebärdensprachen zu legitimieren und die Lebenssituation gehörloser Menschen in der Schweiz nachhaltig und wirksam zu verbessern.

Denn: Gebärdensprachen sind vollwertige Sprachen!

 

Dr. Tatjana Binggeli (gehörlos)
Geschäftsführerin Schweizerischer Gehörlosenbund SGB-FSS

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