Ich erinnere mich an die Besetzung der Predigerkirche in der Stadt Zürich durch über hundert Menschen. Auf ihren Manifesten stand «Bleiberecht». Das war im Jahr 2008. Erstmals fielen mir Sans-Papiers im Stadtbild auf, und ich freute mich darüber. Die mutige Aktion hat etwas in Bewegung gesetzt. Seither gibt es die Autonome Schule Zürichs, welche Sprachkurse für Immigrierte anbietet und auch von den Stadtbehörden respektiert wird. Sie leistet einen echten Beitrag zur Integration: 500 Schüler:innen lernen hier wöchentlich. Einer der damaligen Besetzer ist heute aktives Vorstandsmitglied der Gesellschaft Minderheiten Schweiz, gehört als einer, der sich nicht mehr verstecken muss, zur Wohnbevölkerung und ist eine prominente Stimme in der städtischen Vielfalt.

 

Arbeitskräfte ohne Rechte

Sans-Papiers leben versteckt und oft unter widrigsten Umständen. Erfahren sie Gewalt, können sie sich nicht juristisch wehren. Denn sie können nicht zur Polizei gehen, weil die Gefahr besteht, ausgewiesen zu werden. Ihr Aufenthaltsstatus würde geprüft. Sans-Papiers bewegen sich auf der Strasse in Angst vor polizeilichen Kontrollen. Viele für die Gesamtbevölkerung normale Dienstleistungen können sie nicht in Anspruch nehmen. Sie können keinen Mietvertrag abschliessen und kein Bankkonto eröffnen. Auch eine medizinische Behandlung ist mit der Angst verbunden, entdeckt zu werden. Zum Glück gibt es heute die Möglichkeit, dass Sans-Papiers, gedeckt durch die Anlaufstelle SPAZ, Spitäler besuchen können, ohne aufzufliegen. Eine Behelfslösung, aber immerhin.

 

Das Einfachste wäre, dafür zu sorgen, dass es keine Sans-Papiers mehr gibt. Sie legalisieren. Ihnen ein Aufenthaltsrecht geben. Das Bundesrecht verbietet das. Das Ausländer- und Integrationsgesetz sieht vor, dass rechtswidrig anwesende Migrant:innen die Schweiz verlassen müssen, ausser bei «schwerwiegenden persönlichen Härtefällen».

 

Das ist nicht nur unwürdig, es erinnert an den spätmittelalterlichen Zustand der «Hintersassen» ohne politische Rechte. Sans-Papiers gehören nämlich zur ständigen Wohnbevölkerung. Sie werden gebraucht in der privaten Care-Arbeit, in den Putzdiensten, auf Bauernhöfen. Systemrelevante Branchen wie Kinderbetreuung oder Pflegedienste würden ohne sie zusammenbrechen. Der Stadtrat von Zürich schätzt ihre Zahl auf rund 10 000.

 

Es gibt Sans-Papiers, die mehr als ein Dutzend Jahre in der Schweiz leben, hier Kinder aufziehen (die dann ebenfalls keine Ausweise haben) und sich durchschlagen. Wir können uns dieses Leben nicht vorstellen.

 

Die Zeit der Bürger:innen minderen Rechts und der Ansässigen oder Stadtburger gehört ins Mittelalter, es gibt kein Vorrecht der Geburt. Wer zur ständigen Wohnbevölkerung gehört, soll die gleichen Rechte haben. Die Aufgabe gleicht der Beseitigung der Hintersassen-Diskriminierung in der frühen Neuzeit.

 

City Card: Ja sagen und Druck ausüben

 

Die bestehenden Gesetze sollen respektiert werden, aber wir dürfen uns bemühen, sie zu verändern. Und wir müssen Möglichkeiten suchen, um das Leben von Sans-Papiers erträglicher zu machen. Die City Card kann eine solche Möglichkeit sein. Über sie wird am 15. Mai in der Stadt Zürich abgestimmt. Die City Card geht auf eine Motion von AL, Grünen und SP im Zürcher Gemeinderat zurück.

 

Die Vorlage des Stadtrates ist noch kein ausgearbeitetes Projekt. Der Stadtrat will einen Kredit für «Vorbereitungsarbeiten zur Einführung der City Card». Das ist etwas vage und der Preis mit 3,2 Millionen Franken etwas hoch. Umso mehr müssen wir zum Ausdruck bringen, dass wir eine City Card wollen und Druck ausüben, was für eine City Card das sein soll. Das Produkt wird auch ein Resultat der politischen Auseinandersetzung sein. Die Zielvorstellung des Autors, der jahrelang Vorstandsmitglied der Gesellschaft Minderheiten war, sieht so aus:

 

Die Züri City Card verschafft Sans-Papiers Zugang zu Hilfsangeboten, erleichtert ihren Alltag und ermöglicht ihnen ein weniger von Angst geprägtes Leben. Auch wenn die ausländerrechtlichen Vorschriften bestehen bleiben.

 

Dank der Züri City Card können Sans-Papiers ihre eigene Post abholen, ihre Kinder in Kitas anmelden, Bibliotheken besuchen und öffentliche Dienstleistungen nutzen.

 

Die City-Card nützt ihnen aber auch als Ausweis gegenüber der Stadtpolizei: Sans-Papiers werden bei Routine-Ausweispräsentationen bei der Stadtpolizei – Unfallzeugnis, Anzeigeerstattungen, Strassenkontrollen – nicht behelligt, wenn sie sich mit einer City Card ausweisen können. Sans-Papiers können die City Card im einfachen Verkehr mit Behörden gleich benutzen wie Personen mit Aufenthaltserlaubnis. So verwendet, verstösst die City Card auch nicht gegen übergeordnetes Recht, das haben die juristischen Abklärungen durch ein Rechtsgutachten der Universität Zürich ergeben.

 

Darüber hinaus wird die City Card als Ausweis für tout Zurich dienen, für alle. Dies im einfachen Verkehr mit Behörden und öffentlichen Einrichtungen für Auskünfte bei städtischen Stellen, Beratungsangebote, Zugang zu Kindertagesstätten und Prämienverbilligungen, Zugang zu städtischen Stipendien, Abonnements der Verkehrsbetriebe, Anmeldung bei Spitälern, Einschreibung in Bibliotheken.

 

Wenn alle Zürcher:innen die Züri City Card erhalten und nutzen, ist das gleich noch einmal ein Schutz für die Schwächsten: Das Tragen einer Züri City Card lässt so keinen Rückschluss auf den Status einer Sans-Papier-Person zu.

 

Unterstützen wir die City Card und helfen wir, sie in die richtige Richtung zu entwickeln: als Karte, die die Schwächsten schützt. Als Karte der Einwohnenden, die solidarisch eine Community bilden wollen.

 

 

Willi Wottreng, Publizist

Vorstandsmitglied der Gesellschaft Minderheiten von 2000–2017

Standpunkte

Welchen bedeutenden Entscheid für das Rätoromanische fällte das Schweizerische Stimmvolk 1938? Und weshalb ergibt seit 1996 in der Sprachpolitik 3 + ½ in den meisten Fällen 3? Eine kleine Tour d’Horizon rund um die oft vergessene und dabei schweizerischste aller Landessprachen.

 

Am 20. Februar 1938 fällte das Schweizer Stimmvolk einen für die rätoromanische Sprache denkwürdigen Entscheid. Es erhob das Rätoromanische mit 91,6% Ja-Stimmen zur Nationalsprache. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die hohe Zustimmung nicht nur sprachpolitische Beweggründe hatte. Im Zuge der geistigen Landesverteidigung vor dem Zweiten Weltkrieg war der Entscheid auch eine dezidierte Absage an nationalistische Tendenzen Italiens, das eine Angliederung rätoromanisch- und italienischsprachiger Gebiete der Schweiz im Sinn hatte. Bis heute geblieben ist die bedeutende Verankerung des Rätoromanischen in Artikel 4 der Bundesverfassung: Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

 

Happy End? Fast. Wäre da nicht die Crux mit der Unterscheidung zwischen Landessprache und Amtssprache. Knapp 60 Jahre nach der Volksabstimmung von 1938 doppelte Helvetia nach: Am 10. März 1996 wurde eine Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung mit 76% Ja-Stimmen angenommen. Dieser Entscheid verleiht dem Rätoromanischen den Status einer Teilamtssprache des Bundes. Der Sprachenartikel in der Bundesverfassung hält fest, dass «im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache auch das Rätoromanische Amtssprache des Bundes» ist. Die weiteren Amtssprachen des Bundes sind Deutsch, Französisch und Italienisch.

 

Landessprache ohne Podestplatz

Eine integrale Bereitstellung der gesamten schriftlichen Kommunikation des Bundes auf Rätoromanisch wäre unrealistisch und zudem nicht sinnvoll. Rätoromanisch ist zwar Landessprache, jedoch nur Teilamtssprache des Bundes, sozusagen eine halbe Amtssprache. Texte von besonderer Tragweite sowie die Unterlagen für eidgenössische Wahlen und Abstimmungen sollen gemäss Sprachengesetz auch in Rätoromanisch veröffentlicht werden. Und nicht zu vergessen sind die Texte «im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache». Ein Beispiel: Eine Bürgerin schreibt einen Brief auf Rätoromanisch an die Bundesverwaltung. Der Fall ist klar, die Antwort erfolgt auf Rätoromanisch. Bravo! Zweites Beispiel: Das Bundesamt für Gesundheit lanciert eine grosse schweizweite Kampagne gegen die Ausbreitung des Coronavirus, verfasst in allen … – Falsch! Es brauchte politischen Druck, um die Herausgabe von wesentlichen Informationen der Corona-Kampagne auf Rätoromanisch zu erwirken. Der Grundsatz scheint zu sein, dass alles in den drei vollwertigen Amtssprachen herausgegeben wird und erstmal explizit nicht in der Teilamtssprache. Im Grunde ist es eine arithmetische Frage. Den Rechenfehler, den der Bund bei der Interpretation der ½ Amtssprache Rätoromanisch begeht, ist, dass er den Faktor 0.5 in fast allen Fällen abrundet. In der Konsequenz ergibt dies das omnipräsente Bild der dreisprachigen Schweiz. Internetseiten, Publikationen und Beschriftungen werden in Deutsch, Französisch und Italienisch verfasst. Das Rätoromanische gerät zunehmend in Vergessenheit. Es braucht ein Umdenken. Die Landessprache auf dem undankbaren vierten Platz hätte zumindest eine lederne Medaille verdient. Wie könnte ein sinnvoller Umgang mit der ½ Amtssprache aussehen? Der Bund sowie öffentliche Dienstleister, z.B. Post und SBB, die national agieren, müssten Rätoromanisch gesamtschweizerisch konsequent bei Beschriftungen aller Art verwenden. Dies dort, wo die anderen drei Amtssprachen der Schweiz aufgeführt werden. Im rätoromanischen Sprachgebiet muss die Sprache prioritär für Informationen an die Bevölkerung eingesetzt werden.

 

Bedroht trotz guter Rechtsstellung

Laut einem im Jahr 2019 erschienenen Evaluationsbericht im Auftrag des Bundes besteht für das Rätoromanische bereits mittelfristig die Gefahr einer existenziellen Bedrohung. Der Bericht empfiehlt u.a. eine vermehrte Förderung des Rätoromanischen ausserhalb des traditionellen Verbreitungsgebiets der Sprache, insbesondere die Bereitstellung von Bildungsangeboten auch ausserhalb des Kantons Graubünden. Im Rahmen der Kulturbotschaft 2021-24 wendet der Bund insgesamt rund 21 Mio. für das Rätoromanische auf. Erstmals entrichtet der Bund in dieser Periode Beiträge in der Höhe von 1,2 Mio. für Fördermassnahmen ausserhalb des angestammten Sprachgebiets. Ein Vorhaben verdeutlicht sinnbildlich die grossen Anstrengungen, das Rätoromanische auch an die nächste Generation weiterzugeben. Mit einem neuen online zugänglichen Bildungsangebot, genannt «Rumantsch a distanza» (Rätoromanisch im Fernunterricht), sollen Jugendliche auch ausserhalb des rätoromanischen Sprachgebiets ab dem Schuljahr 2023/24 die Sprache erlernen können. Aber wird die Förderung fruchten, wenn das Rätoromanische nirgends auf der Sprachlandkarte der Schweizer Bevölkerung erscheint? Präsenz im Alltag ist der Schlüssel: Der Bund sowie öffentliche Dienstleister auf nationaler Ebene sind gefordert und aufgefordert, nachzuziehen. Und dann ist auch klar, was die sprachpolitisch-arithmetische Gleichung 3 + ½ in der viersprachigen Schweiz ergibt. Auf jeden Fall mehr als 3.

 

Rumantsch – fünf Idiome, eine Sprache

Das Rätoromanische gliedert sich in fünf verschriftlichte Idiome (Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Puter und Vallader) und verfügt über eine Standardschriftsprache, das Rumantsch Grischun. Rund 60’000 Personen in der Schweiz sprechen die Sprache. Ein Drittel der Romanischsprachigen lebt ausserhalb des Kantons Graubünden. In Gemeinden im rätoromanischen Sprachgebiet ist Rätoromanisch Amts- und Schulsprache. Im Kanton Graubünden sind Rätoromanisch, Deutsch und Italienisch die drei gleichwertigen Landes- und Amtssprachen.

 

 

von Andreas Gabriel, Stellvertretender Generalsekretär der Lia Rumantscha

Die Lia Rumantscha ist die Dachorganisation der rätoromanischen Sprachförderung. Im Auftrag des Bundes und des Kantons Graubünden vertritt sie die Interessen des Rätoromanischen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens.

 

 

Der Standpunkt auf Rätoromanisch: Punct da vista da la GMS – L’aritmetica particulara da la politica linguistica en Svizra 

Der Standpunkt auf Italienisch: Punto di vista GMS – la particolare aritmetica della politica linguistica svizzera 

 

Standpunkte

27.03.2024

Gehörlose Menschen – eine sprachliche und kulturelle Minderheit in der Schweiz

Sprachen sind keine „Behinderung“

Der Vorstand der Gesellschaft für Minderheiten in der Schweiz (GMS) hat beschlossen, den Minderheitenbegriff zu erweitern, um auch hybride Identitäten von Minderheiten zu berücksichtigen. Diese Entscheidung reflektiert die zunehmende Vielfalt und Komplexität der menschlichen Identität. Angesichts dessen ist es für die GMS als Verein, der sich für die Rechte und den Schutz von Minderheiten in der Schweiz einsetzt, unerlässlich, dass auch die Gehörlosengemeinschaft von der GMS-Unterstützung erhält.

Für die Gehörlosengemeinschaft ist es von grosser Bedeutung, dass Gehörlosigkeit nicht länger als «Behinderung» betrachtet wird, sondern dass Gehörlose als eine sprachliche und kulturelle Minderheit anerkannt und respektiert werden. Gehörlose und hörende Menschen haben jedoch noch immer eine stark voneinander abweichende Vorstellung von Gehörlosigkeit. So impliziert Gehörlosigkeit für die Mehrheit der Hörenden ein Defizit, welches zu beseitigen ist. Die meisten gehörlosen Menschen hingegen fühlen sich als Mitglied einer kulturellen Minderheit mit eigener Kultur und Sprache, nämlich der Gebärdensprache.

Weltweit leben ca. 70 Millionen gehörlose Menschen, davon 20’000 bis 30’000 in der Schweiz. Die Gehörlosengemeinschaft ist eine sprachliche und kulturelle Minderheit. Das Fundament dieser Kultur sind die Gebärdensprachen, welche untrennbar mit der kulturellen Identität der Gehörlosengemeinschaft verbunden sind. In der Schweiz gibt es insgesamt drei Gebärdensprachen: Die Deutschschweizer Gebärdensprache (DSGS), die Langue des Signes Française (LSF) und die Lingua Italiana dei Segni (LIS). Um mit einem weitverbreiteten Vorurteil aufzuräumen: Die Gebärdensprache ist nicht international, da Sprachen sich regional entwickeln und von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden. Wie jede andere Sprache, haben sich auch Gebärdensprachen natürlich weiterentwickelt. Deshalb hat jedes Land seine eigene Gebärdensprache(n), die sogar regionale Dialekte aufweisen kann, ähnlich den Variationen in gesprochenen Sprachen. Die Gebärdensprache war jedoch lange Zeit verboten. Beim sogenannten Mailänder Kongress im Jahr 1880 trafen hörende Pädagog:innen die Entscheidung, die Verwendung der Gebärdensprache in Europa zu untersagen. Anstatt gehörlosen Schüler:innen Wissen und Bildung zu vermitteln, konzentrierten sich die Lehrkräfte darauf, ihnen das Sprechen beizubringen. Dies oft unter inakzeptablen Bedingungen: Gehörlosen Kindern wurde es z.B. verboten, miteinander in Gebärdensprache zu kommunizieren. Im Unterricht wurden sie unter anderem dazu aufgefordert, sich auf ihre Hände zu setzen oder diese hinter den Rücken zu halten. Die Gebärdensprache konnte somit meist nur im Verborgenen angewendet und weiterentwickelt werden. Um ca. 1980 begann sich langsam auch in der Schweiz die Erkenntnis durchzusetzen, dass Gebärdensprache ein eigenständiges und vollwertiges Sprachsystem ist, mit dem gehörlose Menschen alles ausdrücken und mitteilen können. Jedoch erst im Juli 2010, auf der internationalen Konferenz zur Bildung und Erziehung Gehörloser (ICED) in Vancouver, wurde der Beschluss gefasst, die Resolutionen des Mailänder Kongresses von 1880 offiziell aufzuheben.

Am 22. August 2023 wurde vom Bundesamt für Kultur bekannt gegeben, dass die Schweiz die Gebärdensprachen als immaterielles Kulturerbe anerkannt und in die Liste der lebendigen Traditionen des Landes aufgenommen hat. Die Gebärdensprachen müssen jedoch endlich auch rechtlich anerkannt werden, denn sie ermöglichen gehörlosen Personen den gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Gesundheitswesen, zur Kultur sowie zu Bildungsangeboten. Dieser Zugang muss gehörlosen Menschen durch Bund, Kantone und Gemeinden im Rahmen ihrer Kompetenzen garantiert werden, wie es auch die UNO-Behindertenrechtskonvention und das Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung verlangen. Die fehlende Anerkennung der Gebärdensprachen steht im Widerspruch zur UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNO-BRK), welche die Schweiz 2014 ratifiziert hat. Darin werden die Gebärdensprachen als eigenständige Sprache definiert und die unterzeichnenden Staaten verpflichtet, die Gebärdensprachen und die Gehörlosenkultur anzuerkennen.

Die Schweiz ist eines der letzten Länder in Europa, welches seine Gebärdensprachen nicht auf nationaler Ebene anerkannt hat. Auf kantonaler Ebene sind die Gebärdensprachen in Genf, Zürich und dem Tessin in den jeweiligen Kantonsverfassungen erwähnt. Der Kanton Neuchâtel kennt die Anerkennung auf Gesetzesstufe.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Gebärdensprachen durch die Einführung eines Gebärdensprachengesetzes offiziell anerkannt und gefördert werden. Dies stellt einen unerlässlichen Schritt dar, um die Gebärdensprachen zu legitimieren und die Lebenssituation gehörloser Menschen in der Schweiz nachhaltig und wirksam zu verbessern.

Denn: Gebärdensprachen sind vollwertige Sprachen!

 

Dr. Tatjana Binggeli (gehörlos)
Geschäftsführerin Schweizerischer Gehörlosenbund SGB-FSS

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