1. Name und Sitz

Unter dem Namen „Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz“ (GMS) besteht mit Sitz in Zürich ein Verein im Sinne von Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches.

2. Vereinszweck

Der Verein bezweckt, sprachliche, kulturelle, ethnische und religiöse Minderheiten in der Schweiz in ihren Bestrebungen zu unterstützen, ihre Identität zu erhalten und zu entwickeln, sowie die Zusammenarbeit der Minderheiten untereinander zu fördern.

Er bezweckt ferner, das Verständnis der Bevölkerung für die Wichtigkeit solcher Minderheiten im pluralistischen, freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat zu erhalten und zu stärken, die Integration der Minderheiten zu fördern und jede Art von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung zu bekämpfen.

Der Verein verfolgt weder Erwerbs-, noch Selbsthilfezwecke.

3. Massnahmen

Die Massnahmen zur Verwirklichung der Vereinsziele sind u.a.:
a) Pflege der Beziehungen mit Glaubensgemeinschaften sowie mit politischen und anderen Institutionen ähnlicher Zielsetzung.
b) Eigene Veranstaltungen.
c) Unterstützung gleicher Bestrebungen anderer Institutionen.
d) Zusammenarbeit mit den Medien.
e) Publikationen.
f) Fürsprache für Minderheiten bei den Behörden und in der Öffentlichkeit.

4. Finanzen

Die finanziellen Mittel bestehen insbesondere aus:
a) Jahresbeiträgen der Mitglieder.
b) Beiträgen von Gönnern.
c) Unterstützungsbeiträge seitens öffentlicher und privater Institutionen.
d) Erträgen aus Sammlungen.
e) Legaten, Schenkungen und Zuwendungen aller Art.

5. Organisation

Die Organe des Vereins sind:
a) Die Generalversammlung der Mitglieder.
b) Der Vorstand.
c) Die Revisionsstelle.

6. Generalversammlung

Die Generalversammlung wird vom Vorstand mindestens zehn Tage im voraus einberufen. Die Einladung erfolgt durch schriftliche Mitteilung an alle Mitglieder unter Bekanntgabe der Traktanden.

Die ordentliche Generalversammlung findet in der Regel im ersten Semester jeden Jahres statt. Ausserordentliche Generalversammlungen werden einberufen auf Beschluss einer Generalversammlung, des Vorstandes oder 1/5 der Mitglieder. Ein solches Begehren ist dem Vorstand schriftlich unter Angabe des Zwecks einzureichen.

Die Generalversammlung fasst ihre Beschlüsse mit einfachem Mehr ausser bei Änderung der Statuten und der Auflösung des Vereins. Für eine solche ist eine 2/3-Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten notwendig.

Den Vorsitz der Generalversammlung führt der Präsident/die Präsidentin, im Falle von dessen/deren Verhinderung der Vizepräsident/die Vizepräsidentin, das Protokoll ein/e vom Vorstand bestellte/r Sekretär/in. Die Versammlung wählt in offener Abstimmung die erforderliche Anzahl Stimmenzählende.

Wahlen und Abstimmungen erfolgen durch Handmehr, wenn nicht drei Mitglieder geheime Stimmabgabe verlangen.

Bei Beschlüssen über die Entlastung der geschäftsführenden Organe haben Mitglieder, die in irgendeiner Weise an der Geschäftsführung teilgenommen haben, kein Stimmrecht.

Der Generalversammlung stehen folgende Befugnisse zu:
a) Wahl des Präsidenten/der Präsidentin, der übrigen Vorstandsmitglieder und der Revisionsstelle.
b) Abnahme des Geschäftsberichts und der Jahresrechnung sowie Kenntnisnahme des Revisorenberichtes.
c) Entlastungserklärung an die geschäftsführenden Organe.
d) Beschlussfassung über das Budget und Festlegung der Mitgliederbeiträge.
e) Abänderung oder Ergänzung der Statuten sowie Genehmigung von Reglementen.
f) Auflösung des Vereins.
g) Beschlussfassung über alle anderen der Generalversammlung durch Gesetz oder Statuten vorbehaltenen Geschäfte.
h) Die Generalversammlung kann nur über in der Traktandenliste aufgeführte Gegenstände Beschluss fassen.

7. Der Vorstand

Der Vorstand besteht aus mindestens 7 Mitgliedern. Mit Ausnahme des Präsidenten/der Präsidentin konstituiert er sich selbst. Die Amtsdauer beträgt drei Jahre. Alle Mitglieder sind wieder wählbar.

Mindestens ein Vorstandsmitglied ist aus dem geschäftsführenden Ausschuss der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus / GRA zu wählen.

Der Vorstand versammelt sich auf Einladung seines Präsidenten/seiner Präsidentin unter Angabe von Traktanden, Ort und Zeit, so oft als es die Geschäfte erfordern.

Zur Beschlussfassung ist die Anwesenheit von wenigstens fünf Vorstandsmitgliedern erforderlich.

Über die Vorstandssitzungen wird Protokoll geführt.

Die Mitglieder des Vorstandes sind ehrenamtlich tätig und haben grundsätzlich nur Anspruch auf Entschädigung ihrer effektiven Spesen und Barauslagen.

Der Vorstand hat folgende Aufgaben:
a) Beschlussfassung in allen Vereinsangelegenheiten, die nicht ausdrücklich der Generalversammlung oder anderen Organen übertragen sind. Insbesondere steht ihm die gesamte Geschäftsführung und die allgemeine Überwachung der Interessen des Vereins zu.
b) Vollziehung der Vereinsbeschlüsse.
c) Vertretung des Vereins nach aussen. Die rechtsverbindliche Unterschrift für den Verein führen Präsident/Präsidentin (im Verhinderungsfall Vizepräsident/Vizepräsidentin) mit einem weiteren Vorstandsmitglied oder der Geschäftsführung.
d) Einberufung der Generalversammlung.
e) Organisation des durch die Statuten vorgesehenen Vereinsbetriebes im Rahmen der Statuten und der Vereinsbeschlüsse.
f) Anstellung und Überwachung des für den Vereinsbetrieb nötigen Personals.

8. Revisionsstelle

Die von der Generalversammlung gewählte Revisionsstelle prüft die Jahresrechnung und Buchführung des Vereins.

9. Mitglieder

Der Verein besteht aus Einzel-, Paar- und Kollektivmitgliedern. Die Aufnahme als Mitglied erfolgt durch den Vorstand.

Der Austritt aus dem Verein erfolgt durch schriftliche Erklärung an den Vorstand; er kann jederzeit erfolgen, doch befreit er nicht von der Verpflichtung zur Zahlung bereits vorher fällig gewordener Beiträge und derjenigen für das laufende Vereinsjahr.

Über den Ausschluss von Mitgliedern entscheidet abschliessend der Vorstand ohne Angabe von Gründen.

10. Auflösung

Die Generalversammlung kann mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder die Auflösung des Vereins beschliessen.

Die nach Auflösung des Vereins verbleibenden Mittel sind einer steuerbefreiten Institution mit gleicher oder ähnlicher Zwecksetzung zuzuwenden. Eine Verteilung unter die Mitglieder ist ausgeschlossen.

11. Schlussbestimmungen

Diese Statuten traten am 22. November 1982 in Kraft und sind an der Generalversammlung vom 21. März 2005 teilweise geändert und ergänzt worden.

27.03.2024

Gehörlose Menschen – eine sprachliche und kulturelle Minderheit in der Schweiz

Sprachen sind keine „Behinderung“

Der Vorstand der Gesellschaft für Minderheiten in der Schweiz (GMS) hat beschlossen, den Minderheitenbegriff zu erweitern, um auch hybride Identitäten von Minderheiten zu berücksichtigen. Diese Entscheidung reflektiert die zunehmende Vielfalt und Komplexität der menschlichen Identität. Angesichts dessen ist es für die GMS als Verein, der sich für die Rechte und den Schutz von Minderheiten in der Schweiz einsetzt, unerlässlich, dass auch die Gehörlosengemeinschaft von der GMS-Unterstützung erhält.

Für die Gehörlosengemeinschaft ist es von grosser Bedeutung, dass Gehörlosigkeit nicht länger als «Behinderung» betrachtet wird, sondern dass Gehörlose als eine sprachliche und kulturelle Minderheit anerkannt und respektiert werden. Gehörlose und hörende Menschen haben jedoch noch immer eine stark voneinander abweichende Vorstellung von Gehörlosigkeit. So impliziert Gehörlosigkeit für die Mehrheit der Hörenden ein Defizit, welches zu beseitigen ist. Die meisten gehörlosen Menschen hingegen fühlen sich als Mitglied einer kulturellen Minderheit mit eigener Kultur und Sprache, nämlich der Gebärdensprache.

Weltweit leben ca. 70 Millionen gehörlose Menschen, davon 20’000 bis 30’000 in der Schweiz. Die Gehörlosengemeinschaft ist eine sprachliche und kulturelle Minderheit. Das Fundament dieser Kultur sind die Gebärdensprachen, welche untrennbar mit der kulturellen Identität der Gehörlosengemeinschaft verbunden sind. In der Schweiz gibt es insgesamt drei Gebärdensprachen: Die Deutschschweizer Gebärdensprache (DSGS), die Langue des Signes Française (LSF) und die Lingua Italiana dei Segni (LIS). Um mit einem weitverbreiteten Vorurteil aufzuräumen: Die Gebärdensprache ist nicht international, da Sprachen sich regional entwickeln und von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden. Wie jede andere Sprache, haben sich auch Gebärdensprachen natürlich weiterentwickelt. Deshalb hat jedes Land seine eigene Gebärdensprache(n), die sogar regionale Dialekte aufweisen kann, ähnlich den Variationen in gesprochenen Sprachen. Die Gebärdensprache war jedoch lange Zeit verboten. Beim sogenannten Mailänder Kongress im Jahr 1880 trafen hörende Pädagog:innen die Entscheidung, die Verwendung der Gebärdensprache in Europa zu untersagen. Anstatt gehörlosen Schüler:innen Wissen und Bildung zu vermitteln, konzentrierten sich die Lehrkräfte darauf, ihnen das Sprechen beizubringen. Dies oft unter inakzeptablen Bedingungen: Gehörlosen Kindern wurde es z.B. verboten, miteinander in Gebärdensprache zu kommunizieren. Im Unterricht wurden sie unter anderem dazu aufgefordert, sich auf ihre Hände zu setzen oder diese hinter den Rücken zu halten. Die Gebärdensprache konnte somit meist nur im Verborgenen angewendet und weiterentwickelt werden. Um ca. 1980 begann sich langsam auch in der Schweiz die Erkenntnis durchzusetzen, dass Gebärdensprache ein eigenständiges und vollwertiges Sprachsystem ist, mit dem gehörlose Menschen alles ausdrücken und mitteilen können. Jedoch erst im Juli 2010, auf der internationalen Konferenz zur Bildung und Erziehung Gehörloser (ICED) in Vancouver, wurde der Beschluss gefasst, die Resolutionen des Mailänder Kongresses von 1880 offiziell aufzuheben.

Am 22. August 2023 wurde vom Bundesamt für Kultur bekannt gegeben, dass die Schweiz die Gebärdensprachen als immaterielles Kulturerbe anerkannt und in die Liste der lebendigen Traditionen des Landes aufgenommen hat. Die Gebärdensprachen müssen jedoch endlich auch rechtlich anerkannt werden, denn sie ermöglichen gehörlosen Personen den gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Gesundheitswesen, zur Kultur sowie zu Bildungsangeboten. Dieser Zugang muss gehörlosen Menschen durch Bund, Kantone und Gemeinden im Rahmen ihrer Kompetenzen garantiert werden, wie es auch die UNO-Behindertenrechtskonvention und das Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung verlangen. Die fehlende Anerkennung der Gebärdensprachen steht im Widerspruch zur UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNO-BRK), welche die Schweiz 2014 ratifiziert hat. Darin werden die Gebärdensprachen als eigenständige Sprache definiert und die unterzeichnenden Staaten verpflichtet, die Gebärdensprachen und die Gehörlosenkultur anzuerkennen.

Die Schweiz ist eines der letzten Länder in Europa, welches seine Gebärdensprachen nicht auf nationaler Ebene anerkannt hat. Auf kantonaler Ebene sind die Gebärdensprachen in Genf, Zürich und dem Tessin in den jeweiligen Kantonsverfassungen erwähnt. Der Kanton Neuchâtel kennt die Anerkennung auf Gesetzesstufe.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Gebärdensprachen durch die Einführung eines Gebärdensprachengesetzes offiziell anerkannt und gefördert werden. Dies stellt einen unerlässlichen Schritt dar, um die Gebärdensprachen zu legitimieren und die Lebenssituation gehörloser Menschen in der Schweiz nachhaltig und wirksam zu verbessern.

Denn: Gebärdensprachen sind vollwertige Sprachen!

 

Dr. Tatjana Binggeli (gehörlos)
Geschäftsführerin Schweizerischer Gehörlosenbund SGB-FSS

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