«Demokratie braucht Religion»
20.01.2023

Die Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz (GMS) setzt sich für kulturelle, sprachliche und religiöse Minoritäten ein. Im Vorstand der GMS vertrete ich seit einigen Monaten die rätoromanische Sprachgemeinschaft. Daneben beschäftige ich mich seit vielen Jahren mit Religionen. In eine Engadiner Familie mit vielen Pfarrherren hineingeboren, führten mich meine Studien von der Theologie, über die Religionswissenschaft, mit Schwerpunkt Judentum, zur Psychologie schliesslich ins Pfarramt. Ich brauchte die Aussensicht auf Religionsgemeinschaften, um mich langsam wieder der Innensicht zu nähern.

 

Jetzt, als Pfarrerin in Zürich, bin ich täglich mit Vorurteilen konfrontiert, die religiöse Gemeinschaften und gläubige Menschen betreffen. Deshalb ist es mir ein Anliegen, auf ein spannendes Büchlein des Soziologen Hartmut Rosa hinzuweisen. Es heisst: «Demokratie braucht Religion». Laut Rosa ist unsere Gesellschaft zum Wachstum verdammt, weil sie sich nur noch dynamisch stabilisieren lässt. Wir befinden uns in einem rasenden Stillstand und begegnen der Welt zunehmend aggressiv. Demokratie aber lebt davon, so der Soziologe, dass Menschen aufeinander hören und miteinander in Resonanz treten. Besonders Religionsgemeinschaften verfügen über Erzählungen, Riten, Praktiken und Räume, in denen diese Kulturtechniken geübt werden können.

 

Der kurze Text von Rosa ist lesenswert. Er regt zum Nachdenken an, indem er die in unserer säkularen Gesellschaft verbreitete Meinung relativiert, Religion sei einzig etwas für engstirnige Ewiggestrige. Aus einer Aussensicht verteidigt Hartmut Rosa die religiöse Innensicht. So etwas liest man nicht oft. Allerdings ist der Text keine soziologische Studie im engeren Sinne, sondern ein Plädoyer.

 

Das Vorwort hat Gregor Gysi geschrieben. Gysi, der einräumt, nicht an Gott zu glauben, weist darauf hin, dass religiöse Ideen durchaus einen emanzipatorischen Gehalt haben können.

 

Die GMS macht sich stark für das Lebensrecht, die Kultur und die Integration von alten und neuen Minderheiten. Religiöse Gemeinschaften gehören in der Schweiz zu den neuen Minderheiten. Die Stärke einer Gesellschaft zeigt sich daran, wie die Mehrheit mit Minderheiten umgeht. Neben dem Engagement für das Rätoromanische möchte ich mich im Vorstand der GMS dafür einsetzen, dass Menschen mit religiösen Weltbildern Respekt entgegengebracht wird. Dazu gehört auch das Recht, Kritik zu äussern, wo immer sie angebracht ist und auf die Stärkung unserer vielfältigen Gesellschaft zielt.

 

 

Chatrina Gaudenz, lic. sc. rel und Pfarrerin, Zürich

 

Siehe Hartmut Rosa, «Demokratie braucht Religion», Kösel 2022

 

 

Der Standpunkt als PDF

Standpunkte

11.07.2025

Die GMS engagiert sich im Trägerverein des Schweizer Memorials

Was ist das Schweizer Memorial für die Opfer des Nationalsozialismus?

Mit dem Schweizer Memorial wird den unterschiedlichsten Opfern des Nationalsozialismus gedenkt. Es versteht sich als Erinnerungsort, Vermittlungsort und Netzwerk in einem.

Seit der Bundesrat im April 2023 entschieden hat, einen Erinnerungsort mit 2,5 Millionen Franken zu errichten, haben, unter Federführung des Eidgenössische Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Vertreter:innen der Stadt Bern, des Schweizerisches Israelitischen Gemeindebunds (SIG) und des Archivs für Zeitgeschichte (AfZ) der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit Fachpersonen intensiv am Projekt gearbeitet und dessen Strukturen aufgebaut und gefestigt.

Der Erinnerungsort ist heute auf der Casinoterrasse in Bern geplant, das «Vermittlungszentrum Flucht» in Diepoldsau.

Ein Trägerverein für das Schweizer Memorial

Seit 2025 gibt es neben des Netzwerkvereins auch den Trägerverein. Ihm obliegt die langfristige Verantwortung für den Erinnerungsort in Bern – insbesondere für dessen Betrieb, Pflege, Sicherheit und dessen Weiterentwicklung. Später kann der Trägerverein eine entsprechen Rolle für das geplante «Vermittlungszentrum Flucht» im St. Galler Rheintal übernehmen. Der Verein versteht sich als Bindeglied zwischen Zivilgesellschaft, Fachwelt und Behörden. Neben dem SIG und dem AfZ ist auch die GMS Mitgründerin des Trägervereins.

Die GMS engagiert sich für ein inklusives, zukunftsgerichtetes Gedenken und bringt ihre
Perspektive auf Minderheitenrechte und Erinnerungskultur ein.

Webseite des Schweizer Memorials
Medienmitteilung Wettbewerbslancierung

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Die GMS engagiert sich im Trägerverein des Schweizer Memorials
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