
Verschwörungserzählungen gibt es seit Jahrhunderten, oft dienten sie als Erklärungen für Phänomene, die sich die Menschen nicht erklären konnten und die sie ängstigten. In neuester Zeit grassieren sie auf beunruhigend hohem Niveau wieder neu. Die Corona-Pandemie war ein erster grosser Trigger. Die aktuellen Kriege und ihre unabsehbaren Folgen für die ganze Welt tragen das ihre dazu bei, dass diese Narrative immer schlimmere Blüten treiben. Den Verschwörungserzählungen ist eines gemeinsam: der Glaube an eine heimliche grosse Macht, die alles steuert und alles Übel verschuldet. Je unübersichtlicher die Welt und je dramatischer die Lage, umso anfälliger sind viele Menschen für diese einfachen Erklärungen.
Diese heimliche Macht wird in den meisten Verschwörungsnarrativen den Juden zugeschrieben. Der Antisemitismus dient als verbindendes Element, der als gemeinsamer Nenner verschiedene Verschwörungserzählungen miteinander verknüpft.
Das ist nicht neu, gab es doch schon im Mittelalter Ideen einer jüdischen Verschwörung gegen die Christenheit. Es gab Anschuldigungen gegen über der jüdischen Bevölkerung wegen angeblicher Brunnenvergiftungen, Ritualmorden, Hostienfrevel und anderen Ungeheuerlichkeiten. In neuere Zeit kam der Mythos der jüdischen Weltverschwörung auf und das sogenannte Weltjudentum wurde für die modernen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen und die damit verbundenen Existenzängste verantwortlich gemacht.
Um 1903 tauchte zum ersten Mal das antisemitische Machwerk «Die Protokolle der Weisen von Zion» auf und diente den Nazis als Hetzschrift gegen die den Juden und Jüdinnen unterstellte Weltherrschaft. Sie verschrien das «Weltjudentum» als Drahtzieher sowohl für den Finanzkapitalismus wie auch für den Bolschewismus. In einem Aufsehen erregenden Prozess, der vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) in der Schweiz angestrengt worden war, wurde die Schrift 1935 als Fälschung entlarvt.
Solche Clischés wirken bis heute nach und tauchen in unterschiedlichen Formen immer wieder auf.
Sie erhalten Nahrung durch die weltweite Vernetzung, die Globalisierung. Diese macht die Entwicklungen und Entscheide der Wirtschaft und anderer global tätiger Organisationen für viele Menschen undurchschaubar und unheimlich. Da bietet sich das Narrativ der Weltherrschaft geradezu an, um die als Zerstörung nationaler, politischer und kultureller Identität empfundene Entwicklungen durch «globale Eliten» anzuprangern.
Zsolt Balkanyi, der Präsident der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus GRA sagte kürzlich in einem Interview, dass solche Vorstellungen und stereotype Vorurteile von einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung in den tiefen gesellschaftlichen Schichten lauern würden und dort konserviert seien und dass sie durch den Krieg in Gaza getriggert und an die Oberfläche schwappen würden. Durch die sozialen Medien werden solche Narrative heute weltweit unglaublich schnell verbreitet. Balkanyi nennt den heutigen Antisemitismus altes Gift in neuen Schläuchen und bezeichnet ihn als eine demokratiezersetzende Kraft. Deshalb ist es wichtig, dass sich alle an demokratischen Gesellschaften interessierten Menschen gegen den Antisemitismus engagieren.
Philip Bessermann, der Geschäftsführer der GRA schreibt, dass in vielen Fällen Juden und Jüdinnen als Sündenböcke für komplexe politische, wirtschaftliche oder soziale Probleme dargestellt werden. Diese Vorstellungen schaffen eine einfache Erklärung für komplexe Phänomene und schüren Misstrauen gegenüber der jüdischen Gemeinschaft, wodurch antisemitische Einstellungen verstärkt werden. Letztendlich fungiert der Antisemitismus als Klebstoff, der verschiedene Verschwörungstheorien zusammenhält und ihnen eine gefährliche Kohärenz verleiht.
Dass das bedrohlich für jüdische Menschen werden kann, zeigt die lebensbedrohliche Messerattacke auf einen Juden in Zürich von anfangs März. Diese Zusammenhänge aufzuzeigen und über Strategien dagegen nachzudenken und aufzuklären ist Aufgabe der GMS.

Die GMS engagiert sich im Trägerverein des Schweizer Memorials
Was ist das Schweizer Memorial für die Opfer des Nationalsozialismus?
Mit dem Schweizer Memorial wird den unterschiedlichsten Opfern des Nationalsozialismus gedenkt. Es versteht sich als Erinnerungsort, Vermittlungsort und Netzwerk in einem.
Seit der Bundesrat im April 2023 entschieden hat, einen Erinnerungsort mit 2,5 Millionen Franken zu errichten, haben, unter Federführung des Eidgenössische Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Vertreter:innen der Stadt Bern, des Schweizerisches Israelitischen Gemeindebunds (SIG) und des Archivs für Zeitgeschichte (AfZ) der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit Fachpersonen intensiv am Projekt gearbeitet und dessen Strukturen aufgebaut und gefestigt.
Der Erinnerungsort ist heute auf der Casinoterrasse in Bern geplant, das «Vermittlungszentrum Flucht» in Diepoldsau.
Ein Trägerverein für das Schweizer Memorial
Seit 2025 gibt es neben des Netzwerkvereins auch den Trägerverein. Ihm obliegt die langfristige Verantwortung für den Erinnerungsort in Bern – insbesondere für dessen Betrieb, Pflege, Sicherheit und dessen Weiterentwicklung. Später kann der Trägerverein eine entsprechen Rolle für das geplante «Vermittlungszentrum Flucht» im St. Galler Rheintal übernehmen. Der Verein versteht sich als Bindeglied zwischen Zivilgesellschaft, Fachwelt und Behörden. Neben dem SIG und dem AfZ ist auch die GMS Mitgründerin des Trägervereins.
Die GMS engagiert sich für ein inklusives, zukunftsgerichtetes Gedenken und bringt ihre
Perspektive auf Minderheitenrechte und Erinnerungskultur ein.
Webseite des Schweizer Memorials
Medienmitteilung Wettbewerbslancierung