Wie die Medien das Bild von Minderheiten prägen
13.03.2023

Die Medien prägen massgeblich den gesellschaftlichen Diskurs und dabei auch das Image von bestimmten Minderheiten. Welche diskriminierenden Aspekte kann Medienberichterstattung aufweisen und wie entstehen diese problematischen Inhalte? Wer kommt in den Medien zu Wort und wer nicht? Verschiedene Studien sind diesen Fragen nachgegangen.

 

Medien können präventiv auf Stigmatisierungen und Diskriminierung von Minderheiten einwirken, diese aber auch fördern. So werden etwa (negative) Vorurteile über Minderheiten bewusst oder unbewusst durch verallgemeinernde und polemische Berichterstattung verbreitet. Solche «Skandalgeschichten» generieren zwar Klicks, sind jedoch sachlich meist wenig fundiert und wirken sich negativ auf das Image der betroffenen Gruppen aus.

 

Diskriminierende Aspekte in der Medienberichterstattung

 

Vorurteilhafte oder diskriminierende Berichterstattung kann unterschiedliche Aspekte aufweisen. Eine Studie der Akademie für Journalismus und Medien der Universität Neuenburg (AJM), die die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) in Auftrag gegeben hat, identifiziert sechs verschiedene Kategorien: (1) Ein allgemein diskriminierender Blickwinkel, der verallgemeinert und Probleme, Straftaten oder andere negative Handlungen bestimmten Gruppen oder deren Mitgliedern zuordnet. (2) Punktuelle Verallgemeinerungen, wenn einzelne Passagen negative Zuordnungen begünstigen (z.B. wenn ein Autodieb mehrmals als «der Marokkaner» bezeichnet wird). (3) Unausgewogene, negative, falsche oder ungenaue Verwendung von Bezeichnungen, die Stereotype verstärken und diskriminierende Einstellungen fördern können (z.B. die Verwendung des Wortes «Clan», wenn von Rom:nja die Rede ist). (4) Eine unangebrachte Titelgestaltung, die absichtlich mit Stereotypen spielt, um die Aufmerksamkeit der Leserschaft zu gewinnen (z.B. das Zitat «Meidet sie im Ehebett und schlagt sie!» eines Imams als Schlagzeile). (5) Eingeschränkte Repräsentation der betroffenen Gruppen, indem sie kaum oder gar nicht zu Wort kommen. (6) Bewusste oder unbewusste Dekontextualisierung oder Fehler in Bezug auf bestimmte Fakten oder Statistiken, sodass damit diskriminierende Zuordnungen zu gewissen Gruppen entstehen.

 

Repräsentation von Minderheiten in den Medien

 

Besonders die eingeschränkte Repräsentation von betroffenen Gruppen wurde bereits vertieft analysiert. 2013 hat die EKR beim Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (fög) eine Studie über die Qualität der Berichterstattung über Rom:nja und Jenische in Leitmedien in der Schweiz in Auftrag gegeben. Die Studie legt dar, dass ab 2010 besonders die Berichterstattung über Rom:nja zugenommen hat. Auffällig sind dabei die Differenzen zwischen Aus- und Inlandberichterstattung: Bei der Berichterstattung über Rom:nja im Ausland liegt der Fokus vor allem auf der Diskriminierung von Rom:nja und den Versuchen, dieser Diskriminierung entgegenzuwirken. Wenn über Rom:nja in der Schweiz berichtet wird, geht es hingegen grösstenteils um vermeintliche Probleme, die sich aus der Nicht-Sesshaftigkeit gewisser Rom:nja ergeben, um Kriminalität, Prostitution und Bettelei. Somit besteht hinsichtlich der Berichterstattung über Rom:nja in der Schweiz ein einseitiger Fokus auf negatives, abweichendes und kriminelles Handeln, der die Wahrnehmung von Rom:nja, Sinti:zze und Jenischen in der Schweiz stark prägt. Rom:nja, Sinti:zze und Jenische kommen selbst nur sehr selten zu Wort und wenn, dann nur als Reaktionen auf gewisse «Probleme». Sie vermögen jedoch nicht, eigene Themen in die Berichterstattung einzubringen. Die Hälfte der untersuchten Berichte verwendet Pauschalisierungen und ein Viertel auch negative Stereotypen.

 

Ein ähnliches Bild zeichnet eine weitere Studie des fög über die Qualität der Berichterstattung über Muslim:as in der Schweiz. Hier wird die Intensität der Berichterstattung vor allem durch Terroranschläge im europäischen Ausland und durch politische Kampagnen im Inland beeinflusst. Negative Themen wie «Radikalisierung» und «Terror» sind sehr stark verbreitet und sind oft mit Pauschalisierungen verknüpft. Positiv konnotierte Themen, wie «gelingende Integration» oder «Alltag», kommen hingegen praktisch gar nicht vor. Durch die negative Berichterstattung wird Distanz gegenüber den muslimischen Akteur:innen in der Schweiz geschaffen. Wie bei der Berichterstattung über Rom:nja, bleiben die betroffenen Muslim:as vor allem Berichterstattungsobjekte und kommen selbst kaum zu Wort. Wenn, dann sind es einzig polarisierende Stimmen. Auch die Studie des fög über die «Sichtbarkeit von Akteur:innen und ihrer Positionen in redaktionellen Medien und Twitter im Abstimmungskampf um das Verhüllungsverbot» zeigte, dass muslimische Akteur:innen weder in den Medien noch auf Twitter eine breite Resonanz fanden.

 

Ursachen für diskriminierende Medienberichterstattung

 

Der politische Diskurs hat einen grossen Einfluss auf die Medienberichterstattung. Bereits 2007 stellte eine Studie des fög über «Ausländer und ethnische Minderheiten in der Wahlkampfkommunikation» fest, dass die «Problematisierung des Fremden» ein zentrales Thema in Wahlkämpfen darstellt. Es werden in hohem Masse Typisierungen verwendet, die gegenüber Ausländer:innen und ethnischen Minderheiten Distanz erzeugen (z.B. «kriminelle Ausländer», «die Ausländer», «die Muslime»). Die Medien greifen diese Typisierungen auf, korrigieren die Problematisierung zwar teilweise, schreiben sie aber auch in der Berichterstattung fest. Ein Teil der Problematisierung des «Fremden» bleibt damit unwidersprochen.

 

Auch eine neue Studie der AJM untersuchte, wie Inhalte mit potenziell diskriminierenden Inhalten überhaupt (re)produziert werden. Bereits bei der Themenauswahl besteht die Tendenz, problematische Inhalte auszuwählen, da diese mehr Klicks bringen. Im Hinblick auf die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Medien versuchen einige, sich zu positionieren, indem sie sich thematisch abgrenzen. Teilweise werden in Berichten Informationen aus Agenturmeldungen, polizeilichen Quellen oder Aussagen von Personen aus der Politik einschliesslich deren Haltungen wiedergegeben, ohne diese zu problematisieren. Auch bestimmte stilistische bzw. erzählerische Entscheidungen können Formulierungen fördern, die negative Vorurteile begünstigen. Nachrichten, die unter Zeitdruck entstehen, lassen häufig wichtige Kontextelemente aus (genaue Zahlen werden etwa nicht wiedergegeben), enthalten zum Teil problematische Begriffe und Formulierungen (z.B. rassistische Fremdbezeichnungen wie das «Z-Wort» für fahrende Gemeinschaften) und sind deshalb anfälliger für diskriminierende Vorurteile. Nicht zuletzt sind auch Formatvorlagen der Grund für fehlende Kontextualisierungen. Die befragten Journalist:innen gaben an, dass es häufig schwierige Entscheide seien, die sie treffen müssten, die auf widersprüchlichen Berufslogiken beruhten.

 

 

Medien müssen eine soziale Verantwortung wahrnehmen können

 

Aus finanziellem Druck setzen Medien vielfach auf polarisierende Themen und verzichten stattdessen auf eine sachliche und ausgewogene Berichterstattung. Diese ökonomische Ausrichtung der Medien steht im Widerspruch dazu, dass Medien auch gleichzeitig eine soziale Verantwortung wahrnehmen können. Unabhängig von Werbegeldern berichten zu können, ist nur möglich, wenn die Politik bereit ist, mehr Finanzierung für Medien zu sprechen. Darüber hinaus sollten Medien aber auch ihre Strukturen überdenken. Minderheiten müssen sowohl in die Berichterstattung (strukturell) als auch innerhalb der Redaktionen (institutionell) miteinbezogen werden. Vorbildlich haben einige Medien bereits sogenannte Social Responsibility Boards eingerichtet, die sich zum Beispiel mit Vorurteilen und potentieller Diskriminierung von Minderheiten auseinandersetzen. So kann eine vertrauensbasierte Zusammenarbeit geschaffen werden.

 

 

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Standpunkte

11.07.2025

Die GMS engagiert sich im Trägerverein des Schweizer Memorials

Was ist das Schweizer Memorial für die Opfer des Nationalsozialismus?

Mit dem Schweizer Memorial wird den unterschiedlichsten Opfern des Nationalsozialismus gedenkt. Es versteht sich als Erinnerungsort, Vermittlungsort und Netzwerk in einem.

Seit der Bundesrat im April 2023 entschieden hat, einen Erinnerungsort mit 2,5 Millionen Franken zu errichten, haben, unter Federführung des Eidgenössische Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Vertreter:innen der Stadt Bern, des Schweizerisches Israelitischen Gemeindebunds (SIG) und des Archivs für Zeitgeschichte (AfZ) der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit Fachpersonen intensiv am Projekt gearbeitet und dessen Strukturen aufgebaut und gefestigt.

Der Erinnerungsort ist heute auf der Casinoterrasse in Bern geplant, das «Vermittlungszentrum Flucht» in Diepoldsau.

Ein Trägerverein für das Schweizer Memorial

Seit 2025 gibt es neben des Netzwerkvereins auch den Trägerverein. Ihm obliegt die langfristige Verantwortung für den Erinnerungsort in Bern – insbesondere für dessen Betrieb, Pflege, Sicherheit und dessen Weiterentwicklung. Später kann der Trägerverein eine entsprechen Rolle für das geplante «Vermittlungszentrum Flucht» im St. Galler Rheintal übernehmen. Der Verein versteht sich als Bindeglied zwischen Zivilgesellschaft, Fachwelt und Behörden. Neben dem SIG und dem AfZ ist auch die GMS Mitgründerin des Trägervereins.

Die GMS engagiert sich für ein inklusives, zukunftsgerichtetes Gedenken und bringt ihre
Perspektive auf Minderheitenrechte und Erinnerungskultur ein.

Webseite des Schweizer Memorials
Medienmitteilung Wettbewerbslancierung

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